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Kommunikation und Körperbewusstsein durch Berührung 

Erfahrungsbericht von Petra 

Ich unterscheide bei Berührungen zwischen vier Formen: emotional-spirituell, sexuell, funktional und medizinisch. Diese liegen beim Menschen zwar sehr nahe beieinander, es geht dabei aber um die Intention der Berührung. 

 

Emotional - spirituelle Berührungen 

Die eine Form führt unter anderem zu Selbstbewusstsein: der Kontakt auf emotionaler Ebene. Diese Form ist nicht durch Zeit limitiert und drückt sich meistens in langsamer, harmonischer oder sanfter Bewegung aus. Durch die emotionale Berührung ist es für eine Person mit bewegungseingeschränktem Körperteil möglich, dieses kurz- und langfristig mehr bewegen zu können. Sie ermöglicht demnach mehr Bewegungsfreiheit. 

Emotionale Berührung wird ermöglicht durch Introspektion, das heisst durch gezielte Wahrnehmung (Beobachtung) der Abläufe im Innern des eigenen Körpers, insbesondere der Atmung. Diese fokussierte Wahrnehmung macht unseren Verstand still und wir können die Bewegungsimpulse des Körpers, klar erspüren. In diesem Moment ist es die Kraft des Nicht-Tuns die uns innehalten lässt, anstatt jedem einzelnen Impuls unbewusst zu folgen. Wir hören auf die quälende Stimme unseres Verstandes, die uns weg von unserem Körper bringen möchte. Die Herausforderung dabei ist, loszulassen und zu akzeptieren, was geschieht. 

Durch diese Kraft und innere Ruhe kannst du auch deine Möglichkeiten und Grenzen sehen, wie sie sind. Von da aus, mit diesem Gefühl spüre ich dann das Verlangen auch mit anderen in Kontakt zu treten und bin offen dafür, berührt zu werden. Diese neue, gefühlvolle Art des Austauschs, ist sensibler für die Möglichkeiten und Grenzen meiner selbst und meines Gegenübers, denn sie ist genährt von Vertrauen: Ich muss nicht ständig nach dem “Warum” fragen, noch ängstlich sein. 

Wenn der Kontakt dann da ist, ist es auch wichtig den Anderen zu hören, um herauszufinden, was er braucht. Die Anliegen zum Beispiel des Partners könnten folgende sein: Ein höhenverstellbares Bett, das gross genug ist für zwei Personen oder Entspannung durch warmes Massage-Öl, Berührungen durch Federn oder Rosenblätter, die gut riechen.

 

Sexuelle Berührungen 

Natürlich können während dieser Art des emotionalen Austausches mit jemandem auch sinnliche Empfindungen auftauchen, die dann ziemlich schnell in sexuelle Erregung übergehen. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, doch sollte man sich mit dem Andern austauschen, ob beide Personen wirklich zu diesem Zeitpunkt sexuellen Kontakt wünschen. Diese Klarstellung ist erfahrungsgemäss wichtig, denn sonst kommt es zu Missverständnissen im Umgang mit der anderen Person und auch zu widersprüchlichen Empfindungen in einem selbst. Ist eine Person mit Behinderung beteiligt, kann eine solche Situation aufgrund von Abhängigkeitsstrukturen zu noch grösseren Konflikten zwischen zwei Personen und auch dem Umfeld führen. 

Persönlich bin ich der Meinung, dass auch Menschen mit Behinderungen ein Anrecht haben, ihre Sexualität zu leben. Der Wunsch danach soll selbstverständlich von beiden Sexualpartnern kommen und das Umfeld sollte die Erfüllung dieses tiefen Wunsches nach Möglichkeit unterstützen. 

Hier noch ein paar, scheinbar triviale Dinge, die dabei helfen, dass man gerne in einem Raum ankommt und sich eingeladen fühlt, mit Anderen in Kontakt zu treten: Duftkerzen, schöne Musik statt Lärm und eine saubere, angenehme Atmosphäre. Für Menschen, die normalerweise wenig Kontakte pflegen, hilft es sich folgendes bewusst zu machen: Das Äussere, die Kleidung und die persönliche Hygiene entfalten auch eine Wirkung. 

 

Funktionale Berührungen 

Nebst der emotionalen und der sexuellen Berührung gibt es auch den funktionalen Kontakt. Er ermöglicht zielorientiertes Handeln wie zum Beispiel sich anzukleiden, sich zu waschen, zur Arbeit zu gehen, oder seinen Tag zu strukturieren. Bei funktionaler Berührung steht das Fühlen nicht im Vordergrund. Als Assistenzperson ist es wichtig, Gefühle wahrzunehmen und manchmal auch über sie zu sprechen, sonst wird der Austausch mit der betreuten Person (oder allgemein mit dem Kommunikationspartner) durch unterdrückte Emotionen verfälscht. 

 

Medizinische Berührungen 

Manchmal beklagt sich eine Handschuh tragende Person über Gefühllosigkeit an ihren Fingern oder die von ihr berührte Person beklagt sich, dass sich die Handschuhe fremd anfühlen. Jedoch schaffen Handschuhe manchmal auch eine nötige Distanz (Schutz der Intimsphäre), unterstützen die Hygiene und schützen beide Beteiligten vor Krankheit. 

Wichtig ist, dass sich die Handschuhe für den Träger und die betreute Person angenehm anfühlen (z.B. ohne Latex, passende Grösse, mit oder ohne Puder, Farbe) und aus Materialien sind, die keine allergischen Reaktionen hervorrufen.

Es kann auch hilfreich sein, einmal künstlerisch mit Handschuhen zu experimentieren, um einen positiven Zugang zu diesem Hilfsmittel zu finden. Medizinischer Kontakt hat oft auch eine funktionale Seite, ist zielorientiert und unterliegt auch einem strengen Zeitrahmen. (z.B. Hausarzt, Spitex, Frauenarzt). Personen mit körperlichen Einschränkungen sind von dem straffen Zeitrahmen für medizinische Untersuchungen und Behandlungen noch stärker betroffen. Aus diesem Grund haben Behinderte manchmal sogar Mühe einen Hausarzt zu finden, da die von der Krankenkasse vorgegebenen 20 Minuten pro Untersuchung nicht ausreichend sind. Leider bedeutet dies Stress für den Arzt, der sich oft auf den Patienten überträgt. 

In einem gesunden Leben sind emotionale und funktionale Kontakte in einer Balance. 

Jede Person erfährt Berührung auf verschiedene Weise - öffne dein Herz und geniesse es!

 

 

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