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Einflüsse in die Partnerschaft von Menschen mit und ohne Behinderungen

Erfahrungsbericht von BeN

 

Hat sich ein Paar kennen gelernt und entschliesst sich, zusammen zu leben und ein gemeinsames Zuhause zu beziehen, treffen verschiedene Träume, Hoffnungen, Erfahrungen, Erwartungen und Kulturen aufeinander. Zusammengehalten wird das von den Gefühlen zueinander. Auch in schwierigen Situationen.

 

Einflüsse der persönlichen Kulturen

Lebt einer der Partner mit einer Behinderung, spielt auch diese in der Partnerschaft eine Rolle. Da jede Behinderung individuell ist, hat jede betroffene Person einen anderen Umgang damit und Zugang dazu und sammelt andere Erfahrungen in seinem täglichen Leben. Diese Erfahrungen werden unterschiedlich wahrgenommen. Aus diesen Gründen zähle ich die Behinderung auch zur persönlichen Kultur eines jeden Menschen mit Behinderung. Dasselbe gilt für die Interpretation dieser Erfahrungen: seitens der betroffenen Person, wie auch von Seiten der zusammenlebenden Person ohne Behinderung. Diese Interpretationen sind ebenso individuell. 

Auch ein ʺguterʺ Umgang mit seinem ständigen Begleiter, der Behinderung, bringt im täglichen Leben Hindernisse mit sich, die mit mehr oder weniger grossem Aufwand angegangen oder umschifft werden können. Durch eine positiv entwickelte Einstellung der eigenen Behinderung gegenüber, können teilweise Adaptionen vorgenommen werden. Um solche Adaptionen anwenden zu können, hat man sich ein Repertoire angelegt und im besten Fall auch bereits erprobt. Steht man vor heiklen Situationen, kann auf sein Repertoire an Adaptionen zurückgegriffen werden und im besten Fall wird zum richtigen Werkzeug gefasst. Möglich ist auch, dass das Werkzeug ausgewechselt werden muss. Ebenso möglich ist auch, verschiedene Werkzeuge nacheinander zu testen, bis das richtige Werkzeug zur Lösung führt. Ist eine Lösung gefunden und die Anforderung erfüllt, überkommt einem das Gefühl eines gewonnenen Kampfes.

 

Zeitraubende Schleife

Was für die Person mit Behinderung als guten Umgang mit seiner Behinderung gesehen wird, kann von der Partnerin oder dem Partner ohne Behinderung als umständlich und zeitraubend angesehen werden und nicht als Adaption einer Handlung oder eines Bewegungsablaufes.

Dieser andere Blickwinkel des Partners oder der Partnerin kann, vor allem in den Anfangszeiten des gemeinsamen Wohnens, zu reibenden und belastenden Situationen führen. Sollte eine Aufgabe zügig erledigt werden, ist das Ausprobieren von Möglichkeiten für den einen ein gangbarer Weg zur Lösungsfindung oder sogar zur Erweiterung seines Werkzeugkastens und führt schlussendlich zum Sieg. Dieses Ausprobieren stellt für den anderen eine zeitraubende und unnötige Schleife dar, was aus Sicht des Partners oder der Partnerin ohne Behinderung viel schneller erledigt werden kann. Mit guter Absicht wird dem behinderten Partner oder der Partnerin zur Hand gegangen und die zu erledigende Aufgabe ʺschnellʺ von dem Partner oder der Partnerin ohne Behinderung in kürzester Zeit erledigt. Problem erledigt - Problem geklärt?

Vom Partner oder der Partnerin mit Behinderung kann das auch als ʺaus der Hand gerissen werdenʺ aufgefasst werden. Auch wenn dieses "aus der Hand reissen" durchaus als Hilfe, gut gemeint und ohne böse Absicht war, entsteht für den Partner oder die Partnerin mit Behinderung ein unangenehmer Nachgeschmack: Die eigene Abhängigkeit wird sehr deutlich und sichtbar. Was nicht immer sehr einfach zu bewerkstelligen ist. Das setzt wiederum eine gewisse Portion Toleranz seiner eigenen Behinderung gegenüber voraus.

Bei jeder Beziehungsform entstehen Abhängigkeiten. Das ist grundsätzlich nicht negativ zu werten. Die einen sind gewollt, die anderen ungewollt. Abhängigkeit kann durchaus auch als Vertrauen gewertet werden und eine Beziehung kann somit auch wachsen und gedeihen.

Von seinem gewählten Gegenüber können jedoch auch eine gewisse Toleranz und Geduld vorausgesetzt und erwartet werden. Die Person mit Behinderung löst Aufgaben aus dem geschaffenen Repertoire.

Jede Person entscheidet für sich selbst, wie hoch er eine Abhängigkeit in der Partnerschaft eingehen oder zulassen möchte. Bei Partnerschaften, in der die eine Person mit Behinderung lebt, ist die Entscheidung, wie hoch die Abhängigkeit gehen kann oder soll, nur bedingt frei wählbar. Die eigene Behinderung schränkt die Wahlfreiheit ein und beeinflusst die Entscheidung.

 

Emanzipation – anders gedacht

Ein weiterer Aspekt kann einen Einfluss auf eine Partnerschaft haben: Das traditionelle Rollenverständnis unserer Gesellschaft zwischen den Geschlechtern. Wurde die Emanzipation der Geschlechter als überwunden geglaubt, geistert es immer noch, als hoffentlich verstaubtes Überbleibsel einer vergangenen Zeit, in unserem Bewusstsein.

Bei Partnerschaften, in welcher einer der Partner mit einer Behinderung lebt, kann das traditionelle Rollenbild nicht nur aufgeweicht werden, sondern es kann sich auch sehr deutlich verschieben. Was nicht abschätzend bewertet werden sollte. Sind sich die Partner dieser Verschiebung bewusst und können damit kreativ umgehen, damit spielen und experimentieren, bieten sich dadurch auch Möglichkeiten im täglichen Zusammenleben. So können anfallende Aufgaben des täglichen Lebens zwischen den Partnern so aufgeteilt werden, dass Probleme und Unstimmigkeiten gleich von Anfang an umgangen werden. 

Lernen sich ein Mensch mit Behinderung und ein Mensch ohne Behinderung näher kennen, ist meist bereits beim ersten Aufeinandertreffen die Behinderung des einen sichtbar. Die Neugierde macht in der ersten Zeit des Kennenlernens vor wenigem Halt. Gilt es doch den Charakter, die Gewohnheiten und Eigenschaften des anderen zu erkunden. Entwickelt sich die Beziehung weiter und mündet diese in einer Partnerschaft und dann in ein gemeinsames Zuhause, es spielen viele Einflüsse zusammen. Steht eine Partnerschaft auf gesunden Füssen, sind die Eigenschaften des Partners angenommen und lieb gewonnen. Zu diesem Annehmen gehört auch die Behinderung des Partners oder der Partnerin. In guten wie auch in schwierigen Situationen.

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