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Partnersuche im Internet

Erfahrungsbericht von BeN

Das Bedürfnis nach menschlicher Nähe, Zärtlichkeiten und Geborgenheit ist ein Grundbedürfnis jedes Menschen. Von diesem Grundbedürfnis sind Menschen mit Behinderungen nicht ausgeschlossen. Wie dieses Bedürfnis gestaltet und ausgelebt wird, ist zum einen jedem seine persönliche Entscheidung. Zum anderen wird es gemeinsam mit dem Partner gestaltet.

Die Partnerschaftssuche ist für niemanden einfach. So wie die Wünsche, seine Bedürfnisse zu gestalten individuell sind, ist auch die Suche nach einer Partnerschaft individuell. Nicht jeder Mensch wählt die gleichen Strategien und Taktiken aus. Nicht jeder Mensch hat dieselben Möglichkeiten.
Für alle Suchende ist gleich, dass das Ansprechen einer interessanten, jedoch unbekannten Person Nervosität hervorruft. Für Menschen mit einer cerebralen Bewegungsbehinderung kann das eine erhöhte Spastik und eine Mimik bedeuten, welche sich schlechter kontrollieren lässt. Für Personen, welche angesprochen werden, kommt das Ungewisse einer Behinderung hinzu. Für eine spontane Kontaktaufnahme sind das eher hinderliche Voraussetzungen.
Das sind persönliche Erfahrungen, welche ich bei meiner Partnersuche erlebt habe. Ebenso wurden mir in Gesprächen ähnliche Efahrungen mit Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen bestätigt. 

 

Der erste Eindruck – zählt der?
Da ich ein Mensch bin, der bei Hürden nach Möglichkeiten sucht, wie mit diesen umgegangen werden könnte, suchte ich nach anderen Wegen der Kontaktaufnahme. Wie können diese Möglichkeiten aussehen, bei denen die Spastik und Mimik eine untergeordnete Rolle spielen oder sogar ausgeblendet werden können. Sehr bald kam das Internet als Möglichkeit ins Spiel.
Dieses Medium bietet sehr viele und unterschiedliche Plattformen an. Jede dieser Plattformen spricht andere Bedürfnisse und Ziele an und hat seine Vor- und Nachteile. Nicht jede Plattform spricht die gleichen Suchenden an. Ich hatte die Qual der Wahl. Aber mein Ziel vor Augen: Eine feste Partnerschaft.

Während der Zeit meiner Suche lernte ich Fremdsprachen und wollte das Gelernte auch praktisch anwenden. Ich setzte während dieser Zeit meinen Schwerpunkt etwas anders und suchte nach Möglichkeiten, Brieffreundschaften zu schliessen. Sehr viele Möglichkeiten fand ich zu dieser Zeit nicht. So blieb ich auf der Seite eines Instituts hängen, welches weltweit Briefkontakte kostenlos per Mail anbot.
Im Hintergrund schwebte meine Partnersuche immer noch mit. Was dazu führte, dass ich das Gebiet meiner Suche nach Brieffreundschaften geografisch auf Europa eingrenzte. Zum einen, weil die Kultur innerhalb Europas überall ähnlich ist und zum anderen, weil das Reisen, falls es einmal so weit kommen sollte, kürzer sein würde. Für mögliche spätere gegenseitigen Besuche kann das von Vorteil sein.
Ich war mir sehr bewusst, dass eine Suche, für welches Vorhaben auch immer, nicht von heute auf Morgen zu einem Erfolg führen wird. So legte ich mir in jeder Sprache, die ich zur Verfügung hatte, Vorlagen an, die ich nur noch auf das mich interessierende Inserat anpassen konnte.
Für mich war jedoch von Anfang klar. Meine Behinderung wird bereits in der ersten Mail erwähnt. Aber wie? Kann eine Behinderung positiv schriftlich dargelegt werden? Ja, das ist durchaus möglich. Ich fand einen Weg und schrieb zuerst welche Hobbys ich habe. Meine Behinderung kam dann in dem Sinne ins Spiel, dass ich diese Hobbys trotz Behinderung ausüben kann und auch Erfolge hatte.

 

Die Spreu vom Weizen trennen
So begann ich, diese Seite nach interessant klingenden Inseraten zu durchforsten. Ich wollte mir keinen unnötigen Druck auferlegen und las Inserate nur, wenn mir danach war und ich auch die nötige Zeit zur Verfügung hatte, um mich mit gefundenen Inseraten auch auseinander setzen zu können. Denn Seriosität war mir wichtig. Nicht nur ich wollte virtuell seriös auftreten. Ich wollte auch Seriöses von Unseriösem trennen. Ich hatte den Eindruck, dass es mir manchmal bereits beim ersten Lesen gelang. Es kam jedoch auch vor, dass sich die Spreu vom Weizen erst nach mehreren Mailwechseln trennte.
Auch bei der virtuellen Partnersuche spielte meine Behinderung einige Male eine Rolle. Da ich gleich beim ersten Mailkontakt meine Behinderung erwähnte, kam es vor, dass mich keine Antwort erreichte. Aus meinen Erfahrungen aus dem realen Leben leite ich daraus ab, dass meine Behinderung bei der angeschriebenen Person auf Ablehnung gestossen sein könnte.
Ich erlebte jedoch auch das Gegenteil. Gerade bei Kontaktaufnahmen in Regionen dieser Welt, die einen anderen Lebensstandard wie der von mir gewohnte haben, wurde sehr intensiv versucht, den Kontakt weiterzuführen, ja sogar mit für mich zweifelhaften Begründungen zu intensivieren. Innerhalb sehr kurzer Zeit wurde ich auf die andere Seite des Globus eingeladen und schon bei meinem ersten Aufenthalt unter einem Dach zu wohnen. Ich schätzte das jedoch als nicht sehr seriös ein und bezweifelte, dass so ein Kontakt auch längerfristig Bestand haben würde. Solche Kontakte brach ich ab.

Es verging einige Zeit des Lesens, der Neugierde, des Zweifelns, der Suche, jedoch auch des Schreibens und des Wartens auf Antworten. Da fiel mir ein Inserat auf, welches anders daherkam. Nicht die Fülle des Textes stach mir ins Auge, sondern die Knappheit der Formulierung. Innerhalb von nur einem Satz wurde formuliert was gesucht wird. Ich schenkte diesem Text keine weitere Bedeutung. Kann ein so knapp formuliertes Inserat seriös sein?
Es vergingen zwei Wochen. Während dieser Zeit schwirrte mir dieser Text im Kopf herum. Er liess mich nicht mehr los und ich beschloss, ihn nochmals zu suchen und zu antworten. Ich schickte meinen vorbereiteten und angepassten Text mit eher gemischten Gefühlen ab. Grosse Erwartungen auf eine Rückmeldung machte ich mir eigentlich nicht.
Ein paar Tage später erreichte mich eine Antwort. Aus diesem ersten Mailwechsel entwickelte sich ein Mailverkehr, in dem wir uns gegenseitig vorstellten. Es ging um Interessen, Hobbys, Arbeitssituation und welcher Ausgang bevorzugt wird. Der übliche Smalltalk wie im realen Leben eben auch, wenn sich zwei Personen kennenlernen. Nach einigen Wochen tauschten wir Fotos aus. Wir tauschten uns also aus, ohne Körpersprache, Mimik und Gesten des anderen sehen zu können. Obwohl ich meine Behinderung erwähnt und die Auswirkungen auf mein Leben beschrieben hatte und mein virtuelles Gegenüber eigene Nachforschungen anstellte, konnte mein Gegenüber meine Behinderung bis zu diesem Zeitpunkt nie real erleben und auf sich wirken lassen. 

Auf Fotos ist meine Behinderung normalerweise nicht zu erkennen. Sie trat das erste Mal bei unserem ersten Telefongespräch akustisch in Erscheinung, spielte jedoch keine Rolle, hatte ich jedenfalls den Eindruck. Die moderne Technik bietet auch Möglichkeiten, sich ʺpersönlichʺ zu begegnen, wenn grössere Distanzen dazwischen liegen. Das nutzten wir und verlegten unsere Rendezvous auf Skype. Dabei haben wir uns das erste Mal in die Augen geschaut, die Mimik und Gesten des anderen gesehen und auf uns wirken lassen können. Auch das Skypen zog sich eine Weile hin bis zu unserem ersten persönlichen Treffen. Bei unserem ersten persönlichen Treffen, und auch bei den folgenden, hatte ich immer den Eindruck, dass meine Behinderung anwesend war, jedoch nie eine vordergründige oder dominierende Rolle spielte.
Bis heute sind wir ein Paar und ich wünsche mir, noch viele gemeinsame Jahrzehnte vor uns zu haben.

Viele Wege führen nach Rom – manchmal direkt. Manchmal führen auch Schleifen zum Ziel. Auch Schleifen können ihren positiven Sinn haben, wird der lernende Effekt dabei erkannt.

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