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Auch ein einzigartiger Körper kann entzücken

Erfahrungsbericht von Nadja Schmid

Sich schön finden, sich fallen lassen, sich selbst lieben und die Sexualität richtig genießen -  ja, all das ist für mich möglich. Denn ich habe gelernt mich zu akzeptieren wie ich bin und sogar mit meiner EinzigArtigkeit zu spielen. Mit einem so speziellen Körper kann man auch Männer verführen, welche auf der Suche nach etwas besonderem sind. 

Ich selbst lebe mit meinem Partner in einem großen Haus. Zur Unterstützung habe ich 12 Assistentinnen, die sich um mich kümmern, da ich im Rollstuhl sitze und ich für vieles im Alltag Unterstützung benötige. In dieser Lebensform, ist es manchmal unumgänglich, dass die Assistenzpersonen unsere Sexualität mitbekommen. Ich habe jeweils auch in der Nacht eine Assistenzperson, die bei uns übernachtet, denn auch da benötige ich Unterstützung beim Umlagern. Doch dies ist noch nie ein Problem gewesen, da ich diese Thematik bereits an den jeweiligen Vorstellungsgesprächen anspreche. Mir war und ist es wichtig, dass die Assistenzpersonen genau wissen, was auf sie zukommt. Die offene Kommunikation ist für mich daher unerlässlich.  

Mein Team geht somit sehr offen damit um und es fallen manchmal sogar Witze darüber, dass eine Assistenzperson gerne unsere Sex-Assisitentin werden möchte. Mir ist es wichtig, dass wir unsere Sexualität frei leben können und uns die Assistenzpersonen nicht daran hindern. Nicht unsere Assistenz-Planung soll unser Sexleben bestimmen, sondern unsere Lust. Natürlich sind sie nicht beim Akt dabei. Mein Partner ist nicht im Rollstuhl, somit kann er mir alle notwendigen Hilfestellungen geben. Dennoch kommen die Assistenzpersonen in Berührung damit, wenn sie von mir beispielsweise den Auftrag bekommen, mir ein Négligée anzuziehen. Ich glaube, da ist der Fall ja meist klar, was ich im Schilde führe.  

Ich habe lange mit dem Glaubenssatz gelebt, dass eine Person mit einer Behinderung keinen Reiz für einen Menschen ohne Behinderung darstellt, doch ich habe mich geirrt. Ganz im Gegenteil, viele meiner Sexualpartner waren genau aus diesem Grund an mir interessiert.

Die Sexualität in dieser Form leben und genießen zu dürfen, ist wundervoll. Ich werde im Grunde genommen genau wegen meiner Behinderung, als interessante Begegnung wahrgenommen. 

Zusätzlich bin ich absolut überzeugt davon, dass Sexualität auch viel mit Heilung zu tun hat. Der Mensch produziert beim sexuellen Akt unglaublich viele Glückshormone und wir bewegen uns. Also sozusagen Physiotherapie inklusive! Ein Orgasmus ist eine unglaubliche Aktivierung der sämtlichen Körperzellen. Weshalb also Sexualität nicht auch als Heilungsakt ansehen? Wer weiss, vielleicht bin ich deswegen so putzmunter :-).

Die Sexualität ist für mich nicht immer ganz einfach und dennoch nicht unlösbar. Viele Hilfsmittel oder Sextoys von uns, werden beispielsweise als praktische Helfer umgewandelt und so ist (fast) alles möglich. Ich wollte immer möglichst normal sein, dies auch im Bett!

Mein Partner und ich leben eine offene Beziehung. Wir wollen uns die Möglichkeit gewähren, neue sexuelle Bekanntschaften zu machen. Unsere Sexualität soll vielseitig und ispirierend sein: Wir machen kein Geheimnis daraus, jeder hat Sex, jeder liebt es! Weshalb also ein Tabu aus etwas machen, wo es gar kein Tabu zu machen gibt? Meines Erachtens werden zu viele Menschen dafür diskriminiert und ausgegrenzt. Wir sind auch Menschen mit sexuellen Bedürfnissen. So ist es unser Menschenrecht, dies auch leben zu dürfen. Die persönliche Assistenz ermöglicht uns ein Leben zuhause, also sollte auch das freie Ausleben seiner Sexualität möglich sein. Ich habe das Glück einen Partner zu haben. Doch dies kann noch längst nicht jeder Menschen mit einer Behinderung behaupten.

Ich selbst habe meinen Partner übers Internet kennengelernt. Es war Liebe auf den 2te Klick sozusagen. Es ist, glaube ich, immer noch der einfachste Weg um mit einer Beeinträchtigung zu daten, denn man kann Stück für Stück das preisgeben, was man will und wird nicht gleich aufs Äußere reduziert. Wir werden sehr oft schubladisiert. Menschen ohne Vorkenntnisse haben das Gefühl Menschen mit einer Behinderung, haben keine Partner, geschweige denn Sex. Ich werde oft darauf angesprochen, ob mein Partner denn auch eine Behinderung habe. Irgendwie ist das in den Köpfen der meisten so abgespeichert. Aber es würde mein Leben noch viel mehr verkomplizieren, wäre mein Partner auch im Rollstuhl. Sex wäre undenkbar, also weshalb diese Frage. Ich brauche einen Mann der die nötige Kraft mitbringt, um meine fehlende Kraft zu ersetzen. Wir ergänzen uns also perfekt.

Es kam aber auch schon vor, dass ich an einer Party wirklich konkret darauf angesprochen wurde, dass es denn Mann interessiert hat, wie Sex mit mir wohl wäre. Da habe ich gemerkt, dass das Interesse doch sehr groß ist, diese Erfahrung, welche nicht alltäglich ist zu erfahren. Weshalb also nicht auch ein bisschen damit spielen und seinen einzigartigen Körper zeigen. Denn ja, ich bin speziell, doch wer sagt denn, dass die Männer nicht genau das anzieht?

Auch meine Assistenzpersonen werden oft darauf angesprochen ob und wie ich Sex haben kann. Daher entnehme ich, dass diesbezüglich viel zu wenig Aufklärung gemacht wird. Es interessiert die Menschen einfach, weshalb also nicht ganz offen darüber sprechen?

Mein Leben ist perfekt wie es ist und ich kann mittlerweile sagen, ich liebe Sex trotz Behinderung. Ich möchte Menschen mit diesem Text dazu animieren, sich zu zeigen und sich nicht für ihren Körper zu schämen. Wir alle sind wunderbare Wesen. Die Einen sehen diese Schönheit und erkennen sie und andere halt nicht. Doch wir sollten uns alle nicht verstecken, denn wir sind einzigartig und das dürfen wir auch zeigen.

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