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Surrogatpartnerschaft & Co. – eine Herausforderung

Erfahrungsbericht von Flöru

Heute lebe ich als fast 60-jähriger Mann mit einer geburtsbedingten Cerebralparese autonom in einer Eigentumswohnung, bin daran, mein Erwerbsleben an den Nagel zu hängen, um mich künftig den angenehmen Dingen des Lebens widmen zu können.

Meine Sexualität fordert mich seit meinen jungen Lebensjahren. Da mir eine dauerhafte sexuelle Beziehung zu einer Frau bisher nicht «geschenkt» wurde, entschied ich mich dazu, Surrogatpartnerschaften einzugehen. Einerseits suchte ich Prostituierte auf, versuchte es mit Anbietern wie InSeBe oder Sexcare. Ferienaufenthalte in Thailand nutzte ich auch für sexuelle Begegnungen mit asiatischen Frauen.

 

Prostituierte – mehr oder weniger bedürfnisgerecht

Die Erfahrungen mit Prostituierten bleiben mir mehrheitlich negativ in Erinnerung. Es ist für mich emotional schwierig, da das Interesse der Damen vor allem an meinen Hunderternötli messbar war. Die Wertschätzung von mir als Mann ist eigentlich nur selten erkennbar. Mehrmals hatte ich den Eindruck, dass mich die Damen, nach der Zahlung der Dienstleistung wohlverstanden, lieber wieder verabschiedeten, bevor ich meine Hosen überhaupt öffnen konnte. Vielfach war für mich der Zeitdruck bei Prostituierten eine Herausforderung. Möglichst rasch zum Orgasmus zu kommen und wieder raus, entspricht nicht meinen Vorstellungen, wie ein Bordellbesuch ablaufen soll. Auch eine sexuelle Gewalterfahrung habe ich hinter mir. Eine Prostituierte hat mal meinen erregten Penis geschlagen, weil’s gerade etwas länger bis zur Ejakulation gedauert hatte. So machen auch Männer ihre sexualisierten Gewalterfahrungen. Natürlich gibt es auch gute und engagierte Prostituierte, die auf ihre Kundschaft mit einer Behinderung eingehen und deren sexuellen Wünsche nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen und einen guten Job machen. Solchen Frauen bin ich auch begegnet und habe mit ihnen ein schönes Schäferstündchen erlebt. In letzter Zeit und insbesondere in den kalten Wintermonaten engagierte ich Damen, welche Hausbesuche anbieten. So kann ich nach einer Begegnung einfach den Trainer anziehen und habe keinen Heimweg in Dunkelheit und Kälte mehr vor mir. Für mich ist das ein Stück Lebensqualität. 

 

InSeBe & Co – klare Rahmenbedingungen, Bedürfnisse werden teilweise erfüllt

InSeBe, Initiative SexualBegleitung und SexCare sind zwei Organisationen, welche Menschen mit einer Behinderung sexuelle Dienstleistungen anbieten. Ich habe beide Anbieter genutzt und dabei einerseits wunderbare Momente erlebt, andererseits wurden mir aber auch Grenzen aufgezeigt. 

InSeBe: Ich besuchte über mehrere Jahre im Monatsintervall zwei Anbieterinnen von InSeBe, nennen wir sie Jeanette und Petra. Nachdem Jeanette ihren Job aufgegeben hat, bin ich zu Petra gegangen. Beide Damen leben und wirken ca. 150 km von meinem Wohnort, was jedesmal eine gut dreistündige Bahnreise mit sich brachte.

Jeanette bot ihren Dienst in einem alten, aber sehr gemütlichen Haus ohne Lift an. Ihr Massageraum war auf der ersten Etage, die Dusche und ihr Ess-Wohnbereich waren auf der dritten Etage. Jeannettes Tantramassagen waren immer sehr schön. Ich wurde ausgiebig am ganzen Körper massiert. Auch mein Penis und meine Prostata kamen dabei auf ihre Rechnung. Jeanettes zarten Hände führten mich jedesmal zu einem wunderbaren Orgasmus. Das Massageritual, indem wir uns beide nackt begegneten, beginnend mit einer ausgiebigen Dusche, in welcher der Körperkontakt nicht zu kurz kam, wurde jeweils mit einer 90-minütigen Tantramassage ergänzt. Ich war zwar die empfangende Person, meine Hände suchten dabei aber auch körperliche Nähe zu Jeanette. Gegenseitige Streicheleinheiten und Umarmungen gehörten ebenso dazu, wie auch das abwechslungsweise Aufeinanderliegen und das damit verbundene Spüren des ganzen Körpers seines Gegenübers. Leider bot Jeanette keinen Geschlechtsverkehr an. Ich kenne von InSeBe keine Frauen, die Geschlechtsverkehr anbieten. Ich finde dies sehr schade, da dies eigentlich ein grosses Bedürfnis ist von mir.
Jeannettes Grosszügigkeit zeichnete sich dadurch aus, dass sie mich nach jeder Massage zu einem feinen Nachtessen einlud und mich wunderbar bekochte. Der Austausch beim Essen und bei feinem Rotwein war für mich immer spannend und bereichernd. Müde, aber mit einer innerlichen Zufriedenheit, bin ich jeweils nach Mitternacht wieder nach Hause gekommen.

Meine Begegnungen mit Petra sind ähnlich verlaufen. Auch diese waren für mich bereichernd und spannend. Nachdem Petra von einem stilvollen alten Haus zu ihrem neuen Lebenspartner gezogen ist, hat sie in einer Überbauung, in welcher der sichtbare Beton – richtig grusig – das dominierende Bauelement ist, in der Nachbarschaft einer grossen Strafanstalt, einen Praxisraum gemietet. Da gabs keine Kochgelegenheit und demzufolge auch kein Znacht mehr nach der Tantramassage. 

 

SexCare – eine Alternative zu InSeBe?

SexCare ist in unserem Land ein weiterer Anbieter von sexuellen Dienstleistungen für Menschen mit einer Behinderung. Im Gegensatz zu InSeBe bieten die Damen auch den geschützten Geschlechtsverkehr an. Meine Erfahrungen bei SexCare waren unterschiedlich. Bei der ersten Dame, die ich besucht habe, hat die Chemie nicht gestimmt. Sie wirkte sehr dominant und irgendwie kalt auf mich. Zudem entsprachen ihre Körperproportionen nicht meinen Vorlieben. Eine weitere Dame von SexCare fand ich hingegen sehr sympathisch. Ihr Körper und ihre Ausstrahlung haben mich sehr angesprochen. Diese Dame habe ich auch einmal eine ganze Nacht gebucht. Ich schätze es, wenn die Begegnung vom Apéro bis zum Frühstück dauert. So hat man Zeit zum Austausch, zum gemeinsamen Essen und Trinken, zum gemeinsamen Duschen, zum Kuscheln, Schmusen und Bumsen. Es ist eine schöne Form von all inclusiv, wie es mir gefällt! Ich wünsche mir ein entsprechendes Angebot zu finanziell tragbaren Bedingungen. Ich bin in der komfortablen Situation, dass ich mir auch mal Fr. 1'000.00 für eine schöne Nacht leisten kann. Wenn man aber weiss, dass dies für viele Menschen mit Behinderung finanziell untragbar ist, wird ein rascher Handlungsbedarf von Behindertenorganisationen offensichtlich.

Neben den erwähnten Besuchen von Sexualassistentinnen gehe ich auch hin und wieder in einen Swingerclub oder eine «Sauna+». Dabei kommt es zwar selten zu einer sexuellen Begegnung mit einer Frau. Ich finde es aber auch schön, mich im warmen und feuchten Dampfbad oder im Whirlpool selber zu befriedigen. Ich muss halt einfach entsprechende Lokalitäten aufsuchen. Manchmal muss man auf kleinem Feuer kochen. 

Mehrmals führten mich Reisen nach Thailand. Ich habe während meinen Aufenthalten auch Thailänderinnen für sexuelle Begegnungen «gebucht». Glücklich bin ich damit nicht geworden. Sprachliche Barrieren, aber auch die kulturellen Unterschiede sowie das Verständnis für Menschen mit Behinderung bildeten für mich eine grosse Hürde. Das ist für mich keine Option für meine «sexuelle Zukunft.»

Die Angebote von InSeBe und SexCare sind eigentlich keine Surrogatpartnerschaften, sondern lediglich sexuelle Dienstleistungen. Da ich die Damen aber in regelmässigen Abständen besucht habe, fühlte es sich beinahe wie eine Surrogatpartnerschaft an. Wer sich für Surrogatpartnerschaften interessiert, kann sich gerne bei LuciAnna Braendle informieren.

 

 

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