AA

Zwei Welten

Erfahrungsbericht von E.Z.

Als Jugendliche mit Hemiparese habe ich sehr unter meinem behinderten Körper gelitten. Ich fand mich nicht schön und konnte mir nicht vorstellen, dass jemals irgendein Mann mich als Frau attraktiv und begehrenswert finden könnte. Das hielt mich jedoch nicht davon ab, immer wieder unsterblich verliebt zu sein. Es haben sich auch ein paar Romanzen angebahnt, geworden ist daraus nie etwas Festes. Der Grund dafür war einerseits die Angst vor der Behinderung, andererseits hatte ich auch Angst, mich darauf einzulassen wegen meinem Körper. Dabei hat mich die Sehnsucht nach einem Freund oft fast aufgefressen.

Erst als ich mich mit knapp 25 entschieden habe, nicht mehr zu suchen und zu hoffen auf einen Partner. Erst als ich mich auf meine Karriere konzentrieren – den Liebeskram vergessen wollte, verliebte ich mich ganz unverhofft. Anfangs erwartete ich beinahe, dass das sowieso wieder nichts wird. Daraus wurden drei Kinder und 10 Jahre Ehe. 

Was in einem Satz zusammengefasst werden kann, war und ist nicht einfach. Wir haben sehr viel diskutiert über das Leben mit und ohne Behinderung und ich fühlte mich oft unverstanden. Ich stehe auf zwei Beinen und lebe von aussengesehen ein ganz normales Leben. Was dieses ganz normale Leben für einen Kraftakt bedeutet, war für ihn schwierig zu begreifen. Viele Diskussionen, Versöhnungen und Jahre später, weiss jeder vom anderen, was er kann und was nicht. Ich kann besser denken – er kann besser machen.

Eine grosse Veränderung in unserem Leben waren die Geburten unserer Kinder. Alle kamen mindestens 7 Wochen zu früh zur Welt. Auch da machte ich die Erfahrung, dass ich halt doch behinderter bin als von aussen wahrgenommen wird. Meiner Meinung nach lösten Spastik im Unterbauch die Geburten jeweils viel zu früh aus – aus medizinischer Sicht konnte der Grund der Frühgeburten nicht festgestellt werden. Es fehlte die Erfahrung mit Schwangeren mit Hemiparese. Natürlich konnte mir auch niemand sagen, wie einhändiges Wickeln, Stillen und Anziehen geht. Ich wurde einfach erfinderisch und sobald die Kinder Tätigkeiten selbst konnten, machten sie es auch selbst. Der Vorteil: Ich habe unglaublich selbstständige Kinder und einen Mann, der eine starke Bindung zu seinen Kindern hat, weil ich keine unermüdliche Hausfrau bin, die alles kann und macht. Ich muss gut mit meiner körperlichen Energie haushalten und er kann vor lauter Energie kaum still sitzen - so ergänzen wir uns ganz gut. Wir haben für uns herausgefunden, dass wir sehr gut damit fahren, wenn beide zu gleichen Teilen arbeiten gehen und für die Kinder schauen. 

Früher habe ich mir Gedanken gemacht, ob die Kinder jemals unter ihrer behinderten Mutter leiden werden. Bis jetzt gibt es noch keine Anzeichen dafür. Ich glaube, es hat auch mit meinem Selbstverständnis zu tun: ich bin anders – jeder Mensch ist anders und diese Vielfalt macht die Welt bunter. Wenn das jemand anders sieht, ist das nicht mein Problem.

Trotzdem, Zweifel, ob ich für den sportlichen 2 Meter Mann wirklich gut genug bin, kommen bis heute immer mal wieder hoch. Zu tief wurde auch mir eingeredet, dass mein Körper nicht richtig ist. An einem positiveren Selbstbild arbeite ich noch und bleibe dran. Dennoch weiss ich, dass jeder von uns - mein Mann und ich - unterschiedliche Ressourcen hat, die wir oft optimal nutzen und uns so lieben wie wir sind – mit allen Ecken und Kanten.

 

Hinweis zu Cookies

Unsere Webseite verwendet Cookies, um Ihr Online-Erlebnis zu verbessern. Mit der weiteren Nutzung der Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.